MÖGLICHE ORTE EINER HANDLUNG
Gespräch mit Beat Furrer zu seiner neuen Oper «Invocation»
VON PATRICK MÜLLER


Nach Die Blinden, Narcissus sowie dem Anfang dieses Jahres szenisch uraufgeführten 
Begehren ist Invocation bereits das vierte Musiktheater Beat Furrers. Es wird im kommenden 
Juli als Koproduktion zwischen Opernhaus und Schauspielhaus Zürich in einer Inszenierung 
Christoph Marthalers erstmals zu sehen sein. Das Libretto, das Beat Furrer gemeinsam mit 
Ilma Rakusa erstellt hat, basiert auf dem Roman Moderato cantabile von Marguerite Duras. 
Zur Handlung schreibt Furrer: «Eine Stadt am Meer, irgendwo. Eine Frau, Anne Desbaresdes, 
Gattin eines Fabrikanten, ist mit ihrem kleinen Sohn bei einer Klavierlehrerin. Schreie auf der 
Strasse, in der Kneipe unten hat ein Mann eine Frau erschossen; man sagt, sie habe es von 
ihm verlangt. Anne betritt die Kneipe, kehrt in den folgenden Tagen immer wieder dahin 
zurück, unterhält sich, in kurzen Sätzen, mit einem Unbekannten über den Mord, wie es dazu 
kam. Die Grenzen zwischen dem fremden Schicksal und ihrem eigenen verfliessen. In ihrer 
Beziehung zu dem Unbekannten scheint sich das Verhältnis der Ermordeten zu ihrem Mörder 
wiederholen zu wollen.» Wie schon in seinen früheren Musiktheaterwerken sind in Invocation 
für Sprechstimme, Sopran, Chor und Kammerensemble zwischen den Gerüsttext – hier 
Duras' Roman – weitere Texte von Juan de la Cruz, Ovid, Cesare Pavese sowie eine 
orphische Hymne eingefügt.
«Deine Einsamkeit verdoppelt die meine», heisst es einmal in Ihrem letzten Musiktheater,
«Begehren». Ist dies nicht auch ein Motto, das über «Invocation» stehen könnte?

Invocation beginnt da, wo Begehren aufgehört hatte. Das eigentliche Thema meines neuen 
Musiktheaters ist der Gedanke der Überschreitung. Mich interessierte diese Frau, Anne, die 
im Rausch und im erotischen Begehren jene Ordnung der Dinge zerstört, die die bürgerliche 
Existenz, die Welt des kultivierten Bildungsbürgers ausmachen. Gefallen an Marguerite 
DurasŐ Roman hat mir die Klarheit, mit der ein Schrei als äussere Kundgebung solcher 
Überschreitung der bürgerlichen Welt der Arbeiter in der naheliegenden Fabrik und dem Spiel 
einer Diabelli-Sonatine in der Klavierstunde ihres Sohnes, der Anne beiwohnt, 
gegenüberstellt.
Die Wahl eines Stoffes aus der zeitgenössischen Romanliteratur mag überraschend sein,
nahmen sich doch Ihre früheren Musiktheaterprojekte mythische Stoffe vor: Oedipus in «Die
Blinden», Narziss in «Narcissus», Orpheus und Eurydike in «Begehren». Hat dies mit den
soeben angesprochenen Fragen an die bürgerliche Gesellschaft zu tun?

Dieses Interesse am Gesellschaftlichen, das in der Festszene des siebten Kapitels von DurasŐ 
Roman und damit in der siebten Szene von Invocation handfest wird, steht nicht eigentlich im 
Vordergrund. Vielmehr hat mich primär interessiert, dieser Frau und deren Stimme 
nachzugehen. Bereits in meinem früheren Musiktheaterprojekten war es so, dass ich eine 
Perspektive zum Mythos gesucht habe, dieser gab dabei eine Art Grundierung ab, zu der die 
anderen eingeschobenen Texte eine Perspektive öffnen sollten. Denn man muss sehr 
vorsichtig sein im Umgang mit solchen Mythen, man kann heute nicht mehr davon ausgehen, 
dass sie noch bedeuten, was sie einmal bedeutet haben – gerade die Suche nach solcher 
Bedeutung interessierte mich.
Die Protagonistin, Anne, ist denn auch aufgeteilt in drei Figuren: Die Schauspielerin, die die 
Texte aus dem Roman von Duras spricht, und diese Sprechstimme ist eigentlich immer das 
Zentrum des Klanges; dann ist da eine solistische Frauenstimme, die Texte ausschliesslich in 
spanischer Sprache singt, Gedichte von Juan de la Cruz sowie von einem Anonymus aus dem 
16. Jahrhundert, von dem man einmal glaubte, es handelte sich um Teresa von Avila; 
dazwischen vermittelt als eine weitere «Figur» die Flötenstimme.
Diese spanischen Texte beleuchten gerade den erwähnten Aspekt der Überschreitung im Text 
von Duras. So formuliert Juan de la Cruz in einem Gedicht, das ich in der letzten Szene 
verwendet habe: «Ich habe von meinem Geliebten getrunken und, wieder aufsteigend durch 
diese ganze Ebene, habe ich nichts mehr gewusst. Ich habe die Herde verloren, der ich vorher 
gefolgt bin.» Da ist eine Überschreitung im Sinne mystischer Vereinigung gemeint – bei Juan 
de la Cruz Gott –, bei Duras angedeutet im siebten Kapitel, der Festszene, in einem fast 
sakralen Ton. 
Die zentrale siebte Szene ist ja auch musikalisch ein Höhepunkt: darin werden die bisherigen
musikalischen Entwicklungen in einer vielstimmigen Polyphonie zusammengezogen.

Richtig, das Fest ist eigentlich die zentrale Szene. Das Fest als verschwenderisches 
Aufbrausen des Lebens und auch als Infragestellung der Ordnung der Dinge. Auch in diesem 
Geschehen flackert ein Verlangen nach Zerstörung. Bei Duras ist die Szene fast schon eine 
Karrikatur, sie beschreibt das Fest aus ironischer Distanz. Gleichwohl ist mir dieser fast 
sakrale, religiöse Aspekt wichtig. Anne verstösst hier gegen alle Regeln des Anstandes – in 
ihrem Rausch durch das ständige Trinken, aber auch in ihrem Verlangen nach dem erotischen 
Erlebnis, das ihr Gegenüber, der Mann, repräsentiert.
Der in verschiedenen Zusammenhängen begegnende Schrei ist ja nur einer von zahlreichen
akustischen Eindrücken, die DurasŐ Text evoziert. Die Rede ist auch immer wieder vom
Rauschen des Meeres, von den Stimmen der Menschen, von der Stille, oder auch: «Die Bäume
schreien, wenn Wind ist.» Ganz offensichtlich ist dieses Angebot an akustischen Eindrücken
in «Invocation» nicht naturalistisch auskomponiert.

Es wird da eine Klanglichkeit imaginiert, die dann mit dem real Klingenden kontrapunktiert 
wird. Ich hüte mich vor illustrativen Verdoppelungen, vielmehr interessiert mich, wie eine 
bestimmte Semantik den Klang in Beschlag nimmt. Der Schrei beispielsweise wird in 
verschiedenen Formen thematisiert – vor allem war dies für mich eine formale 
Herausforderung: Nicht eine Stimme einfach schreien zu lassen, sondern eine Form zu finden 
für diesen Bruch, und die Dynamik dann entwickeln zu lassen. In der ersten Szene, deren 
Musik in der fünften identisch wiederkehrt, habe ich in einer langen Entwicklung ein grosses 
Accelerando geschrieben, einen Strudel, der am Ende in einen lauten Klang mündet. Nicht 
nur dieser Schrei war mir wichtig, sondern die Dynamik, die dorthin führt. Der Schrei wird 
aber auch in anderen Formen thematisiert, etwa in den gehaltenen, crescendierenden Tönen zu 
Beginn der dritten Szene, oder am Schluss, wenn die Stimme, ungestützt durch die 
Instrumente, im Pianissimo singt: Man spürt die Gefahr, dass die Stimme bricht, und sie 
kommt dadurch in ihrer ganzen Intimität zur Darstellung.
Schon in «Begehren» war die Sprechstimme ein wichtiges Element – wie übrigens auch die
Flöte, die gleichsam in sprechendem Gestus eingesetzt wird.

In Begehren ging es um eine Gegenbewegung der beiden Protagonisten: «Er» vom Sprechen 
zum Singen, «Sie» vom Singen zum Sprechen. Mich fasziniert einfach die gesprochene 
Sprache. Mir geht es darum, der Stimme wieder einen intimen Ausdruck zu verleihen. Der 
Gesang soll jene körperliche Befindlichkeit besitzen, die mich auch an der gesprochenen 
Sprache fasziniert – dass ich allein am Klang der Sprache ganz viel Information über mein 
Gegenüber erhalten kann.
Dort soll für mich auch der Gesang ansetzen, schon immer hat mich dieser Weg zum Singen 
hin beschäftigt. Ausgehend von der gesprochenen Sprache in ihrer ungeformten, unstilisierten 
Erscheinungsform über die Andeutung von Rhythmen oder klanglichen Filterungen – wenn 
sich die Stimme etwa vom Stimmhaften zum Stimmlosen entwickeln soll – bis zum 
eigentlichen Singen hin. Das Singen ist dann nicht mehr nur eine Konvention der Oper, 
sondern es gibt reiche Abstufungen zwischen dem Sprechen und dem Singen.
Die Flöte ist dabei ein Verbindungsglied, sie ist mit ihrem sehr direkten Ansatz von 
Atemgeräusch eine Fortsetzung der Stimme. Die Flöte kann auch sprechen, in ihren 
geräuschhaften Klängen mischt sie sich wunderbar mit einer sprechenden Stimme.
Die Vokaltechnik zumal in den Chorpassagen scheint einige Verwandtschaft zu derjenigen
von Salvatore Scarrino zu haben, und tatsächlich taucht sein Name in der Partitur auch
einmal auf. Wie ist Ihr Verhältnis zur Musik Sciarrinos?

Es gibt da gewiss eine grosse Nähe, ohne dass dies eine Gefahr bedeuten würde. Das kommt 
sicher auch daher, dass ich Sciarrinos Musik oft dirigiert habe. Diese Erfahrung mit seinen 
Opern haben mir sehr viel gegeben: Die Nähe zur Sprache, das Kreieren des vokalen Satzes 
aus der Sprache selbst heraus und nicht durch das Überstülpen eines abstrakten Systems, sei 
es harmonischer, rhythmischer oder anderer Art. Für mich war das eine entscheidende 
Begegnung, und dadurch angeregt ist sicher auch das Zurück zur gesprochenen Sprache. 
Diese habe ich zwar auch schon vorher eingesetzt, in den Blinden etwa, aber eben anders. 
Jetzt suche ich vor allem die Übergänge zwischen Sprechen und Singen.
Jede Sprache kreiert auch ihren eigenen Klang – nicht nur in der gesprochenen, das wäre 
trivial, sondern auch in der gesungenen. In Italienisch etwa würde ich nie gleich komponieren 
wie in Spanisch. Dabei habe ich die spanischen Texte von Juan de la Cruz für die 
Sopranstimme nicht verwendet, weil diese Sprache besser zu singen wäre – das wäre Unsinn 
–, sondern weil sie eine andere Kompositionsweise verlangt. Die deutschen Texte sind in 
Invocation ausschliesslich gesprochen, der Chor schliesslich singt in italienischer, 
altgriechischer und lateinischer Sprache. Letztere etwa würde ich nie in direkter Rede 
benutzen, sie zeichnet sich aber aus durch eine gleichsam abstrakte, eher harte Aussprache 
und die Vielzahl von Vokalen.
In der zweiten Szene von Invocation gibt es eine Widmung an Sciarrino: Er hat mir ein 
grösseres Stück gewidmet, Studi per l'intonazione del mare für Stimme, Flöten, Saxophone 
und Schlagzeug, und dies ist nun ein Geschenk zurück.
Ihre Musik zeichnet sich aus durch eine gleichsam verinnerlichte Dramatik, und obwohl der
Roman von Marguerite Duras narrative Elemente beinhaltet, scheint «Invocation» um einen
Kern von Themen zu kreisen. Wie ist die Dramaturgie sowohl musikalisch wie textlich gestaltet?
Musikalisch habe eine grosse Faszination für die Überlagerung von Bewegungsabläufen. 
Dabei werden einzelne Schichten gefiltert, und so ergibt sich die Möglichkeit, die eine 
Schicht in die andere verwandeln zu können. Im Grunde genommen arbeite ich mit kleinen, 
wiederholten Klangpartikeln, die immer wieder anders gefiltert, anders artikuliert werden, so 
dass das klangliche Resultat immer wieder verwandelt ist. An diesem Gedanken, wie sich aus 
einem Wiederholenden, Repetierten Leben entwickeln lässt, habe ich in den letzten Jahren 
besonders intensiv gearbeitet.
Bei der textlichen Dramaturgie ergab sich bei der Arbeit am Libretto, das in Zusammenarbeit 
mit Ilma Rakusa entstanden ist, eine Gefahr: Dass nämlich die Reduktion des Romanes auf 
ein Konversationsdrama zuläuft. Dies wollte ich mit allen Mitteln verhindern. Damit in 
Zusammenhang steht auch die Entscheidung, der Figur Annes keine Männerstimme als 
Partner gegenüberzustellen – auch in Duras' Roman bleibt die Figur des Mannes seltsam 
abstrakt und schablonenhaft. Eingefügt haben wir deshalb in der vierten Szene auch Ovids 
Text von jenem Haus der «Fama», das im zwölften Buch der Metamorphosen geschildert 
wird. Es ist der mögliche Ort einer Handlung, jenen «Ort in der Mitte des Erdkreises», worin 
alle Ereignisse der Welt gehört werden können und wo alle Geschichten zusammenlaufen: 
«Von dort kann man alles, was irgendwo geschieht, sehen, sei es auch noch so weit entfernt, 
und jede Stimme dringt an das lauschende Ohr.»